Eine Krippe, eine Herbergssuche und ein Jubiläum
Die Pscheidl-Krippe wird 60
von Roland Pongratz
Als der Waldkirchner Pfarrer Matthäus Pichler überlegt, wie er die 1945 einem Brand zum Opfer gefallene Krippe des »Bayerwald-Domes« St. Peter und Paul ersetzen könnte, kommt ihm die 29jährige Maria Krystek, frisch verheiratete Pscheidl, in den Sinn: »Sagen Sie nicht nein, wenn ich Sie jetzt frage, ob Sie für die Pfarrkirche eine Weihnachtskrippe machen könnten!« Maria ist überrascht, dass der Pfarrer ausgerechnet ihr, einer Heimatvertriebenen, die erst wenige Wochen zu seiner Pfarrei gehört, diese Aufgabe anträgt. Sie willigt ein und fertigt zwischen 1952 und 1954 aus alten Wollresten und anderen Utensilien fast die komplette Krippe, wie sie auch heute noch mit etwa 50 Figuren und 20 Tieren alljährlich aufgestellt wird.
Bald danach entsteht eine Krippe für das Kloster Niederaltaich. Auch kleinere Weihnachtskrippen für Privathaushalte entstehen unter Maria Pscheidl-Krysteks (1923-2002) geschickten Händen. Als das Ehepaar Pscheidl 1956 in den Weiler Obernaglbach bei Kirchberg im Wald zieht, beginnt die Arbeit an einer neuen Krippe. Sie soll ausschließlich Stofffiguren enthalten, die lebenden und verstorbenen Personen originalgetreu nachempfunden sind. An Weihnachten 1956 wird die Krippe erstmals aufgestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Wenn Landräte und Bauernknechte zur Krippe eilen
Als Maria Pscheidl-Krystek 1956 beginnt lebende Personen als Darsteller für die Weihnachtsgeschichte nachzubilden, da ist die Verwunderung unter den Dorfbewohnern anfangs groß. Schnell weicht sie aber der Überraschung, wie täuschend echt die Vorbilder nachmodelliert sind und so manch einer wird sich in den folgenden Jahren antragen, selbst in die Pscheidl-Krippe aufgenommen zu werden. Wichtigstes Kriterium für die Auswahl der abgebildeten Personen ist aber die Wertschätzung durch die Stoffbildhauerin selbst.
In der Regel finden Menschen aus Pscheidl-Krysteks direktem Umfeld oder Personen aus dem regionalen öffentlichen Leben Eingang in die Krippe. Überregional bekannte Persönlichkeiten bilden eher die Ausnahme. Die Platzierung in der Krippe übernimmt Maria selbst und auch hier gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: je höher er oder sie in ihrer Gunst steht, desto näher wird er bei der hl. Familie untergebracht. Umgruppierungen sind hier durchaus die Regel.
Die Krippenlandschaft mit Bergen, Hütten, Zäunen und Bänken, errichtet und bastelt Ehemann Josef Pscheidl (1904-1982). Der Krippenvater ist es auch, der den Besuchern die Figuren und ihre Lebensgeschichten pointiert und anekdotenhaft näherbringt.
Die Krippe findet ihre Herberge im »Schwedenhaus«
Am Donnerstag, 24. Juli 1969 – dem gleichen Tag, als der Astronaut Neil Armstrong mit Apollo 11 von der ersten Mondlandung auf die Erde zurückkehrt – öffnet die Pscheidl-Krippe erstmals im Haus an der Regener Ludwigsbrücke ihre Pforten. Bürgermeister Alois Reitbauer, Monsignore Franz Schmid und Lokalredakteur Raimund Karl hatten sich intensiv bemüht Maria und Josef Pscheidl zum Umzug in die Kreisstadt zu bewegen. Raimund Karl war als erster auf die Krippe und deren touristisches Potenzial aufmerksam geworden und hatte bereits 1959 im »Bayerwald-Boten« ganzseitig über die Sehenswürdigkeit in Obernaglbach berichtet. Auch die Zwieseler sind daran interessiert, die Krippe in die Glasstadt zu holen.
Schließlich haben die Regener die besseren Argumente, der Stadtrat fällt einen entsprechenden Beschluss und im Mai 1968 wird die Krippe in die Kreisstadt geholt. Für einige Monate kommt das Ehepaar Pscheidl im Ilgmeier’schen Anwesen (Pfleggasse 9) unter, bis schließlich die Stadt Regen das »Schwedenhaus« auf der kleinen Regeninsel an der Ludwigsbrücke von Friseurmeister Michael Mayer erwirbt.
Im Januar 1970 schließt die Stadt Regen mit dem Ehepaar Pscheidl einen Vertrag über die Schenkung der Krippe und verpflichtet sich im Gegenzug für ein Leibgeding, welches u.a. unentgeltliches Wohnungs- und Benützungsrecht des Anwesens auf Lebenszeit zusichert. Die Kripperleut’ führen sämtliche Eintrittsgelder an den Stadtsäckel ab. In der Regel kommen jährlich 3.000-4.000 Besucher zur Krippe. Im August 2002, wenige Monate nach dem Ableben von Maria Pscheidl-Krystek, werden die jetzt 260 Stofffiguren in einer Notaktion vor einem steigenden Jahrhundert-Hochwasser gerettet. Sie werden im Niederbayerischen Landwirtschaftsmuseum Regen eingelagert, das Haus an der Ludwigsbrücke wird 2004 verkauft und die Krippe seit 2006 regelmäßig im Landwirtschaftsmuseum als Sonderausstellung präsentiert.
Eine Ausstellung zum Jubiläum
Heuer ist es also wieder soweit, bis 26. Februar sind Maria Pscheidl-Krysteks etwa 20-25cm großen Kunstwerke im Niederbayerischen Landwirtschaftsmuseum Regen (Schulgasse 2) zu sehen. Nicht umsonst sprachen die Medien im Zusammenhang mit der Pscheidl-Krippe oft vom »waldlerischen Krippenwunder«. Die Sonderausstellung zeigt auf der einen Seite, wie filigran und virtuos Maria Pscheidl-Krystek mit Nadel und Faden umgehen konnte, wie detailliert sie den menschlichen Vorbildern nacheiferte und ihnen ihre textilen Ebenbilder quasi aus dem Gesicht schnitt.
Auf der anderen Seite erzählt die Schau vom Leben einer begnadeten Kunsthandwerkerin und eines hochtalentierten Erzählers und Schriftstellers, die sich der Darstellung des Weihnachtsgeschehens aufopferungsvoll widmeten und von tiefer Frömmigkeit geprägt waren. 60 Jahre nach der ersten Öffnung halten die Pscheidl-Krippe und ihre Kripperlleut‘ in dieser Ausstellung noch viele überraschende Einblicke, Details und Geschichten bereit.